2010 Prof. Hans Martin Erhardt
Kulturpreisträger 2010
Prof. Hans Martin Erhardt
*1935 †2015
Maler und Grafiker
Prof. Hans Martin Erhardt studierte 1954 bis 1961 an der Kunstakademie in Karlsruhe bei Wilhelm Schnarrenberger und HAP Grieshaber. 1959 heiratete er Margot Clouth, seine getreue Muse. Seine enge Beziehung zu Sprache, Kunst und Savoir-vivre des Nachbarvolks auf der anderen Rheinseite wurde genährt durch einen von der Studienstiftung des Deutschen Volkes ermöglichten Aufenthalt (1959) sowie ein Stipendium der Bundesregierung für die Cité Internationale des Arts in Paris (1968), verfestigt durch den Erwerb einer Bleibe und Arbeitsaufenthalte im Languedoc. 1964 erlebte er die prägende Begegnung mit dem Dichter Samuel Beckett. Ein Lehrauftrag an der Kunstakademie Stuttgart ergab sich 1970. Drei Jahre später wurde HM Erhardt mit dem Staatspreis des Landes Baden-Württemberg, dem Hans-Thoma-Preis ausgezeichnet. 1978 schuf er im Gedenken an die Shoah den Bilderzyklus „Topographie eines Schweigens“ für die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe. 1980 wurde er als Leiter des Instituts für bildende Künste an die Universität Karlsruhe berufen. Die Altersgrenze setzte dieser Tätigkeit im Jahre 2001 ein Ende und führte zu einem Lebensschwerpunkt in seiner vom Großvater ererbten Werkstatt an seinem Geburtsort Emmendingen.
Die Liste seiner Ausstellungen in der Bundesrepublik, in Frankreich, der Schweiz, Italien, Tunesien, USA ist umfangreich. Auch in Emmendingen kamen einige zustande, so 1986 in der aufgelassenen alten Schalterhalle der Sparkasse, 2002 im Markgrafenschloss, 2005 in der Galerie im Tor und 2009 im Kreiskrankenhaus.
Sein zwischen handfestem Realismus und radikaler Abstraktion beheimateter Stil, abgehandelt vorzugsweise an den Disziplinen Stillleben und Landschaft, erlaubte ihm, die Welt, die er als Schöpfung begriff, in bedingungslosem Staunen und mit einem Bewusstsein widerzuspiegeln, das über die Endlichkeit der euklidisch beschreibbaren Raumerfahrung hinausweist. Er sah sich in einer Tradition der europäischen Kunstgeschichte stehend, die zumal am Oberrhein große Zeugnisse aufweist, so Konrad Witz und Hans Holbein in Basel, Martin Schongauer und Matthias Grünewald in Colmar, Hans Baldung in Freiburg, Sebastian Stoskopff in Straßburg, dazu als prägende Präsenz die großartige Sammlung der Markgräfin Karoline Luise in Karlsruhe – sehr verkürzt dargestellt sind hier seine Wurzeln zu finden. Wohl wissend, dass das Bewusstsein von jener großen Vergangenheit nicht ohne die Bereitschaft zu gewaltigem Verzicht auf malerische Üppigkeit für die Gegenwart tradiert werden kann, stellt er sich der Provokation, entsprach dies doch dem Grundbedürfnis dieses im Heute lebenden Künstlers und beförderte seine Arbeit durch ihren harten Anspruch. Daraus folgte zwangsläufig eine Distanz zum offiziellen Kunstbetrieb der Gegenwart, den Erhardt als weitgehend verderbt erlebte.
Prof. Günther Wirth, der beste Kenner der Kunst nach 1945 im deutschen Südwesten schrieb: „Durch den Maler und Graphiker Hans Martin Erhardt wird ein Werk präsentiert, das ganz für sich in der heutigen Kunstlandschaft steht und sich von allem anderen auf eine klare Weise abhebt. Es hat die Aura einer ungewöhnlichen Stille, die nach Dauer dürstet und sich nur im Schweigen vollenden kann.
Das künstlerische Problem, das uns als Betrachter vor Augen geführt wird, ist das der Dauer, also etwas ganz und gar Unzeitmäßiges, Trendfernes, jenseits modischer Aktualität.“